Stressfach Sport?
Das Fach Sport bringt für Lehrkräfte viele Belastungen mit sich: Lärm, schwierige räumliche Bedingungen und große Motivationsunterschiede bei den Schülerinnen und Schülern können zu Stress führen. Wie gehen Betroffene mit der Situation um? Und was empfiehlt eine Wissenschaftlerin an der Schnittstelle von Sportwissenschaft, Psychologie und Gesundheit? pluspunkt hat nachgefragt.
- Sportlehrkräfte arbeiten oft unter schwierigen Bedingungen
- Belastend sind etwa Lärm, Disziplinprobleme sowie inadäquate Räume und Ausstattung
- Einige der Stressfaktoren im Sportunterricht lassen sich beeinflussen
„Nach der Stunde klingeln mir die Ohren und meine Stimme ist weg“, sagt Lotta Kunzler, die an der IGS Kreideberg in Lüneburg Sport und Englisch unterrichtet. Besonders belastend sei der hohe Lärmpegel während des Sportunterrichts. „Wir haben eine Dreifeldhalle, die nur mit Vorhängen abgeteilt werden kann. Wenn ich etwas erklären möchte und nebenan wird Basketball gespielt, muss ich schreien.“ Dass die Leitung einer Sportstunde nicht selten anstrengend ist, wissen alle, die das Fach unterrichten.
„Der Faktor Lärm wird immer wieder genannt, wenn es um die besonderen Belastungen des Schulfachs Sport geht“, sagt Dr. Birte von Haaren- Mack. Sie forscht am Institut für Sport und Sportwissenschaft des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) unter anderem zum Thema „Stress und psychische Gesundheit bei Sportlehrkräften“. Neben der hohen Lärmbelastung hat sie noch weitere Stressfaktoren identifiziert.
Wenig Struktur, viel Gewusel
So hapere es häufig an adäquaten räumlichen Bedingungen und einer vernünftigen Geräteausstattung. „Vielleicht noch herausfordernder als in anderen Fächern ist es, eine Struktur herzustellen beziehungsweise aufrechtzuerhalten“, so die Wissenschaftlerin. „Alle wuseln durcheinander, man muss auf- und später wieder abbauen und gleichzeitig darauf achten, dass die Disziplin nicht verloren geht.“ Wie lässt sich mit dieser Gemengelage umgehen? Laut Dr. Birte von Haaren-Mack kann man Stressfaktoren in zwei Kategorien gliedern: solche, auf die man als Lehrkraft Einfluss nehmen kann, und solche, bei denen das eher nicht der Fall ist. Dementsprechend müssen die Strategien, wie man dem entgegenwirken kann, unterschiedlich aussehen.
An den äußeren Bedingungen wie etwa einer doppelt belegten Sporthalle können Sportlehrkräfte selbst nicht unbedingt etwas ändern. Wo die Installation schallabsorbierender Decken- und Wandpaneele nicht machbar ist, können sie sich aber mit cleveren Organisationsformen helfen. So hängt die Lärmentwicklung auch von der Distanz und Sprechrichtung zwischen der Sportlehrkraft und den Schülerinnen und Schülern ab. Die Wissenschaftlerin hält zudem Aus- und Weiterbildungsangebote zum Umgang mit Stress für Lehrkräfte für dringend notwendig, zum Beispiel zu den Themen Stimmgesundheit oder zu Erholungsmaßnahmen.
Anders sieht es der Expertin zufolge bei Herausforderungen aus, die die Disziplin der Schülerinnen und Schüler betreffen. Hier können Sportlehrkräfte selbst, am besten gemeinsam mit weiteren Lehrkräften in ähnlichen Situationen, aktiv überlegen, wie man diesen didaktisch begegnet und beispielsweise durch eine gute Vorbereitung oder eine klare Ansprache Konflikte entschärft.
Spaziergang gegen Stress
Lotta Kunzler hat einen Weg gefunden, wie sie nach einer anstrengenden Sportstunde wieder „runterkommt“. Bereits in der Umkleide der Lehrkräfte tauscht sie sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus, so könne man schon mal Dampf ablassen und über manche Situationen gemeinsam lachen. Unterrichtsfreie Stunden und längere Pausen nutzt sie, um im angrenzenden Park spazieren zu gehen. Eine gute Taktik, findet Dr. Birte von
Haaren-Mack. Denn Stress führe vor allem dann zu psychischen Problemen, wenn man sich nicht ausreichend erholen könne. Nicht nur, aber vor allem Sportlehrkräften empfiehlt sie, Arbeit und Freizeit räumlich und zeitlich zu rennen und zum Beispiel Unterrichtsvorbereitungen im Lehrerzimmer zu erledigen. Weiterhin sei es wichtig, Strategien zum Stressabbau zu finden. „Dem einen hilft es, abends selbst zum Sport zu gehen, der anderen, sich Ruheinseln zu schaffen.“
Große Leistungsunterschiede
Sportlehrkräfte sind unter besonderen organisatorischen und räumlichen Voraussetzungen mit unterschiedlichen Leistungsniveaus der Schülerinnen und Schüler konfrontiert. Einem Sportlehrer an einem G-8-Gymnasium in Mainz begegnet dieses Thema in jeder Stunde. „Wir haben normalerweise viele leistungsstarke Kinder. Doch im Sportunterricht treffen Leistungsturnerinnen auf Bewegungsmuffel.“ Deshalb versucht er, möglichst jedes Kind individuell zu fördern und zu benoten. „Ich erinnere mich an einen motorisch unbegabten Jungen, der es irgendwann geschafft hat, mit viel Hilfe in den Handstand zu kommen. Der hat über beide Ohren gestrahlt!“ Wegen genau solcher Momente ist er trotz stressiger Phasen sehr gern Sportlehrer. „Man kann etwas in der Gesundheitserziehung erreichen und Kindern über Erfolgserlebnisse zu mehr Selbstbewusstsein verhelfen. Das ist doch super!“
Dr. Birte von Haaren-Mack forscht am Institut für Sport und Sportwissenschaft des Karlsruher Instituts für Technologie unter anderem zum Thema „Stress und psychische Gesundheit bei Sportlehrkräften“.
Das ausführliche Interview können Sie hier nachlesen.