Ich kann das noch (!) nicht
Sich als selbstwirksam zu erleben, ist ein wichtiger Teil der mentalen Gesundheit. Wenn Schülerinnen und Schüler gewisse Freiheiten zum Mitgestalten bekommen, fördert dies zudem ihre Motivation und Lernbegeisterung – und das lebenslang.
- Selbstwirksamkeit kann in der Schule gefördert werden
- Positive Erfahrungen und Mitwirkung sind maßgeblich
- Mentale Gesundheit, Kreativität und Lernbegeisterung werden gestärkt
„Ich kann das nicht.“ – „Das kriege ich nicht hin.“ – „Wieso soll ich das lernen?“ – Lehrkräfte stehen oft vor der Herausforderung, Schülerinnen und Schüler zu motivieren. Doch wie kann das gelingen? Die Antwort liegt in dem Konzept Selbstwirksamkeit: Es beinhaltet einerseits den Glauben daran, Herausforderungen bestehen und mit dem eigenen Handeln etwas bewirken zu können. Andererseits ist Selbstwirksamkeit mit einem flexiblen Selbstbild verbunden, nämlich der Zuversicht, sich zu verändern und Neues lernen zu können. Eine solche Haltung wird auch als Growth Mindset bezeichnet und gilt als Grundvoraussetzung für Freude am Lernen. Sie fördert Emotionen wie Mut, Neugier, Optimismus und Kreativität.
Die Relevanz solcher Emotionen rückt auch das Konzept der Positiven Bildung in den Fokus: Prof. Dr. Ulrike Lichtinger, Professorin der Sozialwissenschaften, ist seit vielen Jahren nicht nur in der Forschung dazu tätig, sie bringt die Positive Bildung auch durch Vorträge und Coachings in die Schulen, um eine gesundheitsfördernde Lebens- und Lernumgebung zu schaffen: „Positive Bildung verstehe ich als ein Konzept, das die Gesundheit und das Wohlbefinden aller Menschen im System Schule in den Fokus rückt“, erläutert sie. „Selbstwirksamkeit ist ein ganz wesentlicher Teil dieses Konzepts. Sie bezeichnet das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, Aufgaben oder Herausforderungen erfolgreich bewältigen zu können. Dieses Vertrauen fördert wiederum Motivation, Durchhaltevermögen und Leistungsfähigkeit.“
Vorteile von Selbstwirksamkeit
Selbstwirksamkeit zahlt damit als emotionale Einstellung nicht nur auf die mentale Gesundheit ein, sie ist – besonders für junge Menschen – auch wichtig, um den Lernprozess als etwas Gutes zu begreifen. Wer sich als selbstwirksam empfindet, hat neben dieser positiven Grundhaltung auch den Mut, neue Wege zu beschreiten, und lässt sich von Herausforderungen, Problemen oder Hindernissen nicht so leicht abschrecken. Die Vorzüge einer selbstwirksamen Einstellung können Schülerinnen und Schüler somit ihr ganzes Leben begleiten, denn sie ermächtigen zum Handeln und Mitgestalten in der Gesellschaft. Doch wie können Lehrkräfte Selbstwirksamkeit fördern?
Kleine Freiheiten
Ein selbstwirksames Erleben benötigt Freiraum für das eigene Handeln. Denn nur durch Erfahrungen kann das Gefühl von Selbstwirksamkeit wachsen. „Natürlich sind Projekte eine gute Möglichkeit, Selbstwirksamkeit zu fördern, weil sie ein anderes Autonomieerleben ermöglichen als der stärker geführte Unterricht“, erklärt Ulrike Lichtinger. „Doch es sind auch kleine Schritte möglich: Wir nennen das Tiny Habits. Lehrkräfte können Schülerinnen und Schüler zum Beispiel aus einem Angebot von Aufgaben wählen oder individuell über ihre Lösungsmethode entscheiden lassen, aber auch über Einzel- oder Gruppenarbeit. Sie können im täglichen Unterricht verschiedene kleine Freiheiten zulassen.“
Erfolge feiern
Um Selbstwirksamkeit im schulischen Raum zu fördern, sind außerdem zwei Perspektiven sinnvoll. Die eine beinhaltet, Erfolge wahrzunehmen und zu feiern. „Das ist ein ganz wesentlicher Punkt für Wohlbefinden und Gesundheit: die positiven Emotionen“, sagt Ulrike Lichtinger. „Selbstwirksamkeit ist ja einerseits eine Erfahrung, die einen kognitiven Mehrwert hat, besitzt andererseits aber vor allem auch eine emotionale Komponente.“ Die zweite Perspektive sei das Fokussieren auf Stärken der Schülerinnen und Schüler, womit aber nicht unbedingt gemeint sei, Talente zu fördern, sondern vielmehr das Ermutigen jedes und jeder Einzelnen, die eigenen Charakterstärken einzubringen.
Es sind diese positiven Erfahrungen, die Schülerinnen und Schüler handlungsfähig machen– nicht nur im schulischen, sondern auch im lebenslangen Lernen. „Wir brauchen positive Emotionen, um für die Zukunft handlungsfähig zu sein“, betont Ulrike Lichtinger. „Sie führen auch zu mehr Kreativität bei Problemlösungen. Positive Bildung kann uns so befähigen, von der Zukunft zu träumen und sie auch mit zu entwickeln.“
Prof. Dr. Ulrike Lichtinger arbeitet am Regensburger Standort der International University (IU), der größten deutschen Hochschule mit derzeit über 140.000 Studierenden weltweit. Sie beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Positiver Psychologie und Positiver Bildung. Als Research and Practice Lead of Positive Education der International Positive Psychology Association (IPPA) wirkt sie an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis. Mehr Infos: www.ulilichtinger.de
Lesen Sie hier das ganze Interview:
„Emotional ansteckend“ – Selbstwirksamkeit und Positive Bildung in der Schule“