Eine für alle(s)
Stephanie Sperling ist Schulsekretariatsfachkraft an der Freien Martinus-Schule Gonsenheim in Mainz. Sie weiß nie, was ein Arbeitstag für sie bereithält – genau das liebt sie.
„Ich mag an meinem Beruf, dass jeder Tag eine echte Wundertüte ist“, sagt Stephanie Sperling, Schulsekretärin an der Freien Martinus-Schule Gonsenheim in Mainz. Hinter dem Empfangstresen sitzt sie zwischen PC-Monitor, Telefon, jeder Menge Unterlagen und einem Schrank mit Büromaterialien. Nebenan ist das Büro von Schulleiterin Nanette Muth. Weil immer viel zu tun und abzustimmen ist, sind die Türen offen. „Ich bin zwar immer morgens um 8 Uhr in der Grundschule und mache auch meistens recht pünktlich um 13 Uhr Feierabend, aber die Zeit dazwischen ist unvorhersehbar“, sagt die Schulsekretärin. „Mal holt sich ein Kind eine Schramme, mal fragt ein Elternteil nach Rat, mal fehlt Bastelmaterial oder ein Fest soll organisiert werden. Dass ich mich ständig flexibel auf neue Situationen einstellen muss, liebe ich.“
Vom Bankschalter ins Schulsekretariat
Aus ihrem früheren Arbeitsleben kennt sie das auch anders, denn Stephanie Sperling hat beruflich einen Sprung ins Ungewisse gewagt. „Ich hatte studiert und dann lange als Bankkauffrau gearbeitet“, erinnert sie sich. Dann kamen ihre beiden Kinder und die Familie zog von Münster nach Mainz. „Wir haben hier vor Ort kein familiäres Netzwerk. Als ich nach der Kinderpause wieder arbeiten gehen wollte, stieß ich auf dieses Stellenangebot: `Schulsekretärin in Teilzeit`“, erinnert sie sich. Das las sich gut und passte in Sachen Familienvereinbarkeit bestens. „Außerdem konnte ich im Schulsekretariat viele meiner Kenntnisse aus dem kaufmännischen Bereich sinnvoll einsetzen“, sagt sie. „Also habe ich es einfach mal ausprobiert.“
Das ist jetzt neun Jahre her, fort aus der Schule will sie nicht mehr. „Der Job passt perfekt für mich, auch wenn es etwas komplett anderes ist, als in der Bank zu arbeiten“, sagt Stephanie Sperling. „Weil ich selbst Kinder habe, komme ich mit den Schülerinnen und Schülern gut klar und kann auch viele Probleme der Eltern nachvollziehen.“ An der privaten Grundschule werden rund 200 Schülerinnen und Schüler unterrichtet, das Kollegium umfasst 32 Personen. „Hier ist alles klein, überschaubar und die Elternschaft ist toll“, schwärmt die Schulsekretärin. „Wir sind eine kleine Oase der Glückseligkeit, der Umgang miteinander ist sehr vertraut und fast freundschaftlich.“ Die Bank habe sie nie vermisst. Damals habe sie mit Kundschaft zu tun gehabt, die ein Konto eröffnen oder eine Überweisung machen wollte. „Hier kommen Kinder, Lehrkräfte, Eltern mit ihren – oft auch persönlichen – Anliegen auf mich zu, das ist viel abwechslungsreicher“, sagt sie. Ganz klassisch kümmere sie sich außerdem um die Post, den Mailverkehr, um Rechnungen, Verwaltungsfragen des Personals und der Schülerschaft sowie die Organisation von Schulveranstaltungen – von St. Martin bis Fastnacht. „Meine heutige Aufgabe erfüllt mich viel mehr als das früher der Fall war.“
Empathisches Organisationstalent
Dieses Engagement sei für die gesamte Schule Gold wert, findet Schulleiterin Nanette Muth. „Jede Schule steht und fällt mit dem Hausmeister und dem Sekretariat“, ist sie überzeugt. Wenn die Menschen dort sich mit der Schule identifizieren würden, sei das für alle Abläufe ein Segen. „Steffi brennt für ihre Aufgabe und ist ein absolutes Organisationstalent. Sie weiß, was relevant ist, spricht die Dinge an und setzt um, was getan werden muss. Aber das ist noch längst nicht alles.“ Nanette Muth hat 15 Jahre lang an der Freien Martinus-Schule Gonsenheim unterrichtet, dann fünf Jahre an einer anderen Schule verbracht und ist 2023 als Schulleiterin zurückgekehrt. Mitgebracht hat sie das neue Leitbild „Schule ist Herzenssache“. „Lernen findet über Beziehungen statt, davon sind wir hier überzeugt“, erklärt sie. „Diese Beziehungen aufzubauen, ist unsere gemeinsame Aufgabe. Auch dabei ist Stephanie Sperling unheimlich wertvoll, weil sie gegenüber den Kindern und allen anderen sehr empathisch ist.“ Eben noch stand die Schulleiterin in der Tür, jetzt kommt Tobias aus der 2a herein: Seine Klassenlehrerin hat ihn hergeschickt, um zwei Rollen Klebeband zum Basteln zu besorgen. Unterbrechungen sind im Schulsekretariat die Regel, Phasen ohne Anrufe oder jemandem mit einer Bitte am Sekretariatstresen die Ausnahme. Stephanie Sperling holt das gewünschte Büromaterial aus dem Wandschrank und schickt den Jungen damit zurück in sein Klassenzimmer. „In meinem alten Beruf als Bankkauffrau konnte ich mir eine To-do-Liste machen und sie abarbeiten“, sagt Stephanie Sperling. „Im Schulsekretariat geht das nicht. Würde ich das versuchen, wäre ich meistens enttäuscht, wie wenig Punkte ich abhaken konnte – es kommt ja ständig jemand vorbei.“
Nadine Haag wundert das nicht. „Frau Sperling hat einfach alles im Blick, deswegen ist sie so gefragt“, sagt die Lehrerin für Mathematik, Deutsch, Sachunterricht, Kunst und Katholische Religion lachend. „Sie kümmert sich um alles Mögliche und hat auch für alle aus dem Kollegium ein offenes Ohr.“ Mit welchen Anfragen Lehrkräfte hier ins Schulsekretariat kommen? „Jemand von uns ist eigentlich ständig da“, sagt sie und schmunzelt. Wenn man Schülerdaten oder eine Notfallnummer benötige. Wenn ein Kind fehle und man nicht wisse, ob es dazu eine Vorabinformation gab. Wenn Büromaterial knapp sei oder man während einer Freistunde Lust auf ein Schwätzchen habe und, und, und. „Egal, was wir benötigen oder wissen wollen, Frau Sperling ist jederzeit ansprechbar und hilft an allen Ecken und Enden“, sagt Nadine Haag. „Wenn Not am Mann ist, besorgt sie auch noch die leckersten Würstchen fürs Schulfest.“
Offenes Ohr für alle Anliegen
Wie sorgt man dafür, dass einem die ganzen spontanen Anfragen nicht über den Kopf wachsen? „Wenn ich dringend etwas erledigen muss, etwa die Statistik der Schülerinnen und Schüler zu Beginn eines neuen Schuljahres, und werde ständig rausgerissen, kann das je nach Situation schon mal anstrengend sein“, sagt Stephanie Sperling. Sie mache sich dann bewusst: Erstens weiß die Person ja nicht, dass ich gerade beschäftigt bin. Zweitens wird sie ja auch ein Anliegen haben, das ihr wichtig ist. „Ohne Grund ‚stört‘ mich ja keiner, deswegen müssen wir unsere Anliegen in angemessener Abfolge lösen“, erklärt sie. „In diesem Bewusstsein komme ich mit Unterbrechungen oder turbulenten Situationen gut klar, das belastet mich nicht.“
Stattdessen trennt sie klar die Spreu vom Weizen, was die Dringlichkeit der Anliegen betrifft. Manches müsse sofort geschehen, anderes könne warten. „Wenn ich das den Leuten erkläre, verstehen sie es auch“, sagt sie. Nur ganz selten schicke sie mal jemanden weg mit der Bitte, in der nächsten Pause wiederzukommen. „Alles andere versuche ich zeitnah zu klären.“ Das gilt auch für in Not geratene Tiere: Als Schulleiterin Nanette Muth eine verletzte Waldohreule ins Schulsekretariat brachte, die offenbar aus dem Nest gefallen war, musste schnell gehandelt werden. „Wir haben den kleinen Vogel direkt ins Tierheim gefahren. Das war auch nicht so geplant und war alles andere als üblich“, erinnert sich Stephanie Sperling, „aber im Schulsekretariat weiß man halt nie, was auf einen zukommt.“
Flexibel, geduldig, entspannt
Um für all das gewappnet zu sein, seien vor allem Flexibilität, Geduld und eine entspannte Grundeinstellung nötig. Eine große Erleichterung sei das eingeschworene Kollegium an ihrer Grundschule, betont Stephanie Sperling. Alle gehörten dazu und würden gebraucht, niemand sei ‚nur‘ der Hausmeister oder ‚nur‘ die Sekretärin“. „In diesem tollen Klima machen alle gern einen Handschlag mehr, das macht unsere Schule aus“, schwärmt sie. „Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass der Betrieb läuft. Die anderen wissen: Wenn es brennt, bin ich da. Das gehört für mich dazu, genau deswegen liebe ich die Arbeit im Schulsekretariat.“