Illustration von Personen, die eine Glühbirne hochhalten
Wie kollaborative Lern- und Lehrmethoden unser Lernen zukünftig prägen und fördern.

Gemeinsam und vernetzt

Zusammenzuarbeiten und gemeinsam Verantwortung für neue Herausforderungen zu übernehmen, wird in einer digitalisierten und vernetzten Gesellschaft immer wichtiger – das gilt natürlich auch für die Schule. Damit das gelingen kann, müssen kollaborative Lern- und Lehrmethoden in der Pädagogik eine viel größere Rolle als bisher spielen.

  • Kollaborative Lehr- und Lernmethoden müssen gestärkt werden
  • Gemeinsam eine Aufgabe zu lösen, bereichert alle
  • Onlinetools wie Etherpad helfen
AUTORIN Nele Hirsch, Bildungswissenschaftlerin und freie Journalistin | FOTO privat | ILLUSTRATION Adobe Stock, PureSolution; mann + maus | DATUM 26.08.2024

In der heutigen Welt sind andere Kompetenzen gefragt als zu früheren Buchdruckzeiten. Dazu gehören zum einen digitale Kompetenzen im Sinne einer Bedien- und Nutzungskompetenz von Tablets, Smartphones und Co. Zum anderen braucht es Kompetenzen, die die technologischen Entwicklungen berücksichtigen und widerspiegeln – also wie wir gesamtgesellschaftlich miteinander kommunizieren, arbeiten und eben auch lernen. Eine wichtige Schlüsselkompetenz in diesem Sinne ist die Fähigkeit zur Kollaboration: eine Art von Zusammenarbeit, bei der es keine geteilte, sondern eine gemeinsame Verantwortung für die Lösung von Aufgaben gibt. Anstatt diese in einzelne Puzzlestücke zu zerlegen, die unabhängig voneinander bearbeitet und am Ende wieder zusammengesetzt werden, arbeiten alle an derselben Aufgabe – und zwar gemeinsam, vernetzt und in Eigenverantwortung.

Gemeinsam statt allein

Kompetenzentwicklung zu Kollaboration ist eine Herausforderung sowohl für Lernende als auch für Lehrende. Bisher wird sie noch oft vernachlässigt und auch die bestehenden Strukturen spiegeln ein anderes Bild wider. So sind Schülerinnen und Schüler immer noch überwiegend individuell gefordert, zum Beispiel wenn sie eine Prüfung schreiben oder zu einem Thema abgefragt werden. Und auch das vorherrschende Bild einer Lehrkraft ist weiterhin das einer Einzelkämpferin oder eines Einzelkämpfers. Hier gilt es, kollaborative Lehr- und Lernprozesse entgegenzusetzen. Diese erhöhen auch die Effizienz, zum Beispiel in der Unterrichtsvorbereitung, reduzieren den Workload und entsprechend die Stressbelastungen, denen Lehrkräfte ausgesetzt sind.

Kollaboration bereichert alle

Lernende können zum Beispiel kollaborativ an Projekten zu selbst gewählten Fragestellungen arbeiten. Entscheidend ist dabei, dass alle sich mit ihren dejeweiligen Stärken, Interessen und Perspektiven einbringen und so Kollaboration als Bereicherung erleben können. Unterstützung bieten hierbei Onlinetools wie das Etherpad. Es handelt sich dabei um eine Open-Source-Software, die sowohl innerhalb des Learning-Management-Systems Moodle als auch über zahlreiche offene Instanzen im Internet genutzt werden kann. Beispiele sind pad.kits.blog oder zumpad.zum.de. Mithilfe eines Etherpads lässt sich eine beschreibbare Website anlegen. Alle, die über den Link verfügen, können dann synchron an einem Text schreiben, gemeinsam etwas dokumentieren oder Ideen sammeln. Sobald jemand etwas verändert, ist das sofort für alle anderen sichtbar. Auf diese Weise lässt sich Kollaboration mit digitalen Werkzeugen in Lernprozessen sehr konkret umsetzen.

Von- und miteinander lernen

Für Lehrkräfte ist Kollaboration vor allem im Kontext von Fort- und Weiterbildungen relevant. Gerade hier sind traditionelle Weiterbildungsformate oft nicht mehr ausreichend. Es wird immer wichtiger, Peer-to-Peer, das heißt von- und miteinander zu lernen. Ein vielversprechendes Format dafür sind sogenannte Mikrofortbildungen. „Mikro“ steht hier für klein, womit vor allem Niederschwelligkeit bei der Vorbereitung und Beteiligung sowie die Dauer gemeint sind. Praktisch gestalten sich Mikrofortbildungen meist so, dass einzelne Kolleginnen und Kollegen die Initiative ergreifen und sie anderen Interessierten als eine Art „Lernhäppchen“ vorstellen. Meistens wird dabei etwas gezeigt, das man selbst gelernt oder neu ausprobiert hat. Genau das wird dann in der Mikrofortbildung fortgesetzt, indem die Beteiligten gemeinsam nach weiteren Lösungen oder Ideen suchen und diese meistens auch direkt ausprobieren. Neben dem Lernen zu dem jeweils gewählten inhaltlichen Thema wird durch dieses Format auch kollaboratives Agieren geübt.

Kollaborativ zu gemeinsamen Lösungen

Dieses Beispiel zeigt, dass Kollaboration nicht nur eine weitere Herausforderung für Lehrende und Lernende ist, sondern zugleich einen ganz praktischen Lösungsansatz darstellt. Denn genauso wie es in einer digitalisierten und vernetzten Gesellschaft Kollaboration braucht, um auf komplexe Fragestellungen Antworten zu finden, gilt das auch für die Schule. Eine gelingende Schul- und Unterrichtsentwicklung benötigt vor diesem Hintergrund gemeinsame Verantwortung und vielfältige Perspektiven. Einer meiner wichtigsten Leitsprüche im Kontext von Bildung und Digitalisierung lautet deshalb: „Der wichtigste Schritt, der in der Bildung getan werden muss, ist nicht von analog zu digital, sondern von isoliert zu vernetzt.“ Dieser Schritt gelingt nur mit Kollaboration.

Portrait Nele Hirsch

Nele Hirsch ist Pädagogin in dem von ihr gegründeten eBildungslabor. Sie unterstützt und berät Schulen, Hochschulen, Einrichtungen der Erwachsenenbildung sowie zivilgesellschaftliche Organisationen bei der Gestaltung von guter Bildung in einer zunehmend digital geprägten Gesellschaft.

Mehr Infos unter:
https://ebildungslabor.de