„Eine enorm wichtige Aufgabe für unsere Gesellschaft“
Dr. Birte von Haaren-Mack forscht am Institut für Sport und Sportwissenschaft des Karlsruher Instituts für Technologie unter anderem zum Thema „Stress und psychische Gesundheit bei Sportlehrkräften“. Im Interview beschreibt sie die großen Herausforderungen, die mit dem Fach verbunden sind, und zeigt Wege auf, wie man die Stressfaktoren reduzieren kann.
Frau Dr. von Haaren-Mack, welchen konkreten Belastungen sind Sportlehrkräfte ausgesetzt?
Das sind gleich mehrere Faktoren. Oft gibt es nicht genügend Sporthallen, zudem sind diese häufig zu klein oder nicht vernünftig ausgestattet, so dass man unter nicht gerade optimalen Bedingungen versuchen muss, den Lehrplan durchzubekommen. Das führt dann auch zu Lärm, der um ein Vielfaches höher ist als in Fächern, die im Klassenraum unterrichtet werden.
Wie lassen sich Lehrplanvorgaben umsetzen, wenn die Leistungen der Schülerinnen und Schüler von „koordinativ auffällig“ bis „Weltklasse“ reichen?
Die Heterogenität im Sportunterricht zu managen, ist in der Tat eine große Herausforderung. Es ist wichtig, dass der Unterricht adaptiv stattfindet, man sich also an die gegebenen Voraussetzungen anpasst. Es ist sicherlich hilfreich, die psychologischen Basisbedürfnisse Autonomie, soziale Eingebundenheit und Kompetenz von Schülerinnen und Schülern im Blick zu haben. Das gelingt unter anderem, indem man individuelle, ans Leistungsniveau angepasste Aufgaben stellt, die Schülerinnen und Schüler mitgestalten dürfen und es beispielsweise gemeinsame Rituale wie eine Feedbackrunde am Ende der Stunde gibt.
Zudem spielt die Kommunikation mit Schülerinnen und Schülern eine wichtige Rolle, um diese zu motivieren. Auch die didaktische Umsetzung ist wichtig, so klappt es zum Beispiel häufig ganz gut, für unterschiedlich starke Schülerinnen und Schüler unterschiedliche Materialien, also beispielsweise weichere Bälle oder alternative Spielgeräte einzusetzen, um das Spiel zu verlangsamen. So kann man beispielsweise einen Indiaca anstelle eines Volleyballs nehmen. Dagegen ist es schwierig, wenn die Tore schwächerer Kinder doppelt zählen, das stigmatisiert und geht nach hinten los.
Und was macht man dann bei der Benotung?
Auch hier gilt: Schauen, wie die individuelle Entwicklung aussieht und dies bei der Benotung berücksichtigen. Wenn jemand seine Wurftechnik oder Wurfweite im Laufe der Zeit deutlich verbessert, ist das ein Erfolg. Gibt es dann auch eine gute Note, kann das motivieren.
Welche Auswege gibt es, wenn Sportlehrkräfte körperlich bedingt ihre Expertenrolle beziehungsweise ihre Vorbildfunktion verlieren und Demonstrationsübungen zunehmend wegfallen?
Das muss gar nicht von Nachteil sein, denn ein Vorbild kann man nicht nur auf rein körperlicher Ebene sein. Ich kann auch zeigen: Leute, ich bin nicht mehr so stark und das ist auch nicht entscheidend. Vielleicht hilft es sogar den schwächeren Schülerinnen und Schülern, wenn sie sehen, dass auch die Lehrkraft nicht perfekt ist. Nur sollte man es unbedingt transparent handhaben, wenn man etwas nicht kann und keine Ausflüchte suchen. Vielmehr geht es doch darum, den Spaß an der Bewegung zu vermitteln und Motivation zu zeigen. Und das Gute ist: Meistens gibt es eine Schülerin oder einen Schüler, die oder der eine Übung vormachen kann.
Werden angehende Lehrkräfte Ihrer Ansicht nach genügend auf die Herausforderungen des Schulfachs Sport vorbereitet?
Da passiert gerade sehr viel. Meiner Ansicht nach müsste an den Hochschulen aber noch viel mehr interdisziplinär unterrichtet werden. Beispielsweise könnten Psychologie und Sportdidaktik im Bereich der Umsetzung von wichtigen Aspekten wie Motivation der Schülerinnen und Schüler oder zum Umgang mit Stress zusammenarbeiten.
Was sind denn die schönen Seiten des Berufs?
Die meisten Sportlehrkräfte haben sich aus Leidenschaft für Sport und Bewegung für diesen Beruf entschieden – und was man selbst gerne macht, kann man in der Regel auch gut weitergeben. Es ist sehr positiv, das kreativ ausleben zu können. Viele Schülerinnen und Schüler gehen zudem sehr gerne in den Sportunterricht, weil er eine willkommene Abwechslung zum normalen Schulalltag bietet. Und fast das Wichtigste: Sport leistet einen enorm wichtigen Beitrag für die gesundheitliche und persönliche Entwicklung unserer Kinder. Bewegung ist etwas ganz Zentrales – im besten Fall legt man mit einem motivierenden Unterricht auch den Grundstein für lebenslanges Sporttreiben der Schülerinnen und Schüler.
Dr. Birte von Haaren-Mack forscht am Institut für Sport und Sportwissenschaft des Karlsruher Instituts für Technologie unter anderem zum Thema „Stress und psychische Gesundheit bei Sportlehrkräften“.