„Je früher, desto besser“
Nicht erst seit der Coronapandemie fühlen sich Lehrkräfte und andere schulische Akteurinnen und Akteure stark gefordert, ja manchmal überfordert. Was viele nicht wissen: Sie können sich jederzeit Hilfe bei der Schulpsychologie holen. Wie das funktioniert, erläutert Psychologiedirektorin Marion Müller-Staske vom Staatlichen Schulamt in Hanau.
- Alle Beschäftigten im Umfeld Schule können sich beraten lassen
- Die Beratungen sind freiwillig, kostenfrei und unterliegen der Schweigepflicht
- Im Vordergrund steht die Aktivierung eigener Problemlösungskompetenzen
Frau Müller-Staske, wer kann sich bei Beratungsbedarf an die Schulpsychologie wenden?
Grundsätzlich alle Menschen, die im System Schule arbeiten. Viele Lehrkräfte glauben, dass wir in erster Linie für die Schülerinnen und Schüler da sind, aber das stimmt nicht. Wir beraten selbstverständlich auch Lehrerinnen und Lehrer, Eltern, Kolleginnen und Kollegen von der Schulsozialarbeit und natürlich die Schulleitungen. Gerade für die letzte Zielgruppe bieten wir spezielle Coachings an.
Bei welchen Problemen und Fragestellungen kann die Schulpsychologie helfen?
Das hängt von dem jeweiligen Personenkreis ab und reicht von Schülerinnen und Schülern mit Prüfungs- oder Schulangst über Eltern, die sich um die richtige Schulform für ihre Kinder sorgen, bis hin zu Lehrkräften, bei denen es oft um Konflikte und andere fordernde Situationen geht. Viele Lehrkräfte wenden sich aber auch an uns, weil sie Unterstützung im Umgang mit verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schülern brauchen.
Und was geschieht dann konkret?
Im Unterschied zu Therapeutinnen und Therapeuten kennen wir das System Schule sehr genau und können zielgerichtet helfen. Geht es beispielsweise um Hilfe beim Umgang mit verhaltens-auffälligen Kindern, kommen wir mit in die Klasse, beobachten die unterschiedlichen Interaktionen und geben der Lehrkraft dann sehr konkrete Ratschläge. Wir verstehen uns in diesem Prozess als Impulsgeber und die meisten Lehrkräfte sind sehr dankbar für unseren professionellen Blick von außen.
Wie finden Ratsuchende eine zuständige Ansprechperson?
Da in jedem Bundesland die Schulpsychologie etwas anders organisiert ist, ist es am einfachsten, die für das eigene Bundesland zuständigen Beratungsstellen und Ansprechpersonen im Internet zu recherchieren. Unter www.schulpsychologie.de wird man schnell fündig. Dann nimmt man Kontakt mit uns auf und erhält einen ersten Beratungstermin. In allen Bundesländern ist unser Angebot freiwillig, kostenfrei und wir unterliegen der Schweigepflicht.
Gibt es in der Schulpsychologie einen Leitgedanken?
Wir gehen davon aus, dass die Menschen eigene Kompetenzen und Ressourcen haben, die wir durch unsere Beratung aktivieren und festigen. Die Ratsuchenden sollen mit unserer Hilfe in die Lage versetzt werden, selbst Lösungen für ihre Probleme zu finden. Dafür erklären wir ihnen zum Beispiel psychologische Zusammenhänge. Wenn Menschen verstehen, warum sie sich wie verhalten und was sie anders machen können, erhalten sie die Kontrolle über das eigene Tun zurück. Oder wir führen Fortbildungen zu Themen wie Mobbing, Suchtverhalten oder psychischen Erkrankungen durch. Auch erhöht das Wissen um Zusammenhänge die eigene Handlungsfähigkeit.
Unterstützt die Schulpsychologie – neben der sogenannten Einzelfallhilfe – auch das ganze System Schule?
Selbstverständlich, wir bieten unterschiedlichste Systemberatungen, Coachings und Fortbildungen an. Besonders gefragt sind wir natürlich bei gesamtschulischen Krisenereignissen. Diese erfordern eine sehr schnelle professionelle Reaktion unsererseits. Egal, ob es sich um einen Todesfall, einen schlimmen Unfall oder gar einen Amoklauf handelt, in solchen Fällen sind wir so schnell wie möglich vor Ort und helfen. Damit können oft Schockreaktionen abgefangen werden. Damit Schulen auf Krisen vorbereitet sind, bieten schulpsychologische Dienste in fast allen Bundesländern spezielle Fortbildungen für die schulischen Krisenteams an.
Was wünschen Sie sich von Lehrkräften und anderen Personen, die im System Schule arbeiten, wenn Probleme auftreten?
Dass sie sich möglichst frühzeitig an uns wenden. Je früher, desto besser, damit sich die Probleme nicht verfestigen und chronisch werden. Mit Zahnschmerzen wartet ja auch niemand monatelang, bevor er zur ärztlichen Untersuchung geht.
16 Bundesländer – 16 Konzepte
In jedem Bundesland ist der schulpsychologische Dienst anders organisiert – teils in Länderhand, teils kommunal oder gemischt. Es gibt verschiedene Bezeichnungen, Beschäftigungsmodelle und Anforderungen an die Ausbildung. Alle Informationen hierzu, die Beratungsstellen in Deutschland (nach Bundesländern aufgelistet) sowie Hintergrundwissen für Lehrkräfte, Eltern, Schülerinnen und Schüler finden Sie hier:
www.schulpsychologie.de
Marion Müller-Staske ist Schulpsychologin im Staatlichen Schulamt für den Main-
Kinzig-Kreis in Hanau. Die Psychologiedirektorin ist Mitglied im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V. (BDP), Sektion Schulpsychologie.